Welches Honorar ist angemessen? Diese Frage kommt in meiner Profilberatung fast immer irgendwann auf den Tisch. Natürlich bewegt sie vor allen Dingen Menschen, die neu im Berater- oder Coaching-Business sind. Doch auch all anderen lässt die Frage nicht kalt, gilt es doch immer wieder zu überprüfen, ob das eigene Honorar noch zur persönlichen Entwicklung und der im Markt passt. Anlass genug für mich, hier einen kleinen Rundflug zu starten und das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.
Die Honorarempfehlungen der Coaching-Verbände
Der BDVT hat als erster Verband im Jahr 2012 eine Honorarempfehlung für Coaches und Trainer herausgebracht, die seinerzeit viel Aufsehen erregt hat. Diese Empfehlung wird regelmäßig aktualisiert. Derzeit empfiehlt der BDVT Anfängern im Coaching-Geschäft, mindestens ein Honorar von 200 Euro netto zu fordern, sogenannten Senior Professionals mehr als 400 Euro. Der DBVC weist in seinem FAQ Stundensätze zwischen 150 und 350 Euro netto aus. Die Honorarempfehlung des DCV bewegt sich zwischen 160 – 220 Euro netto pro Coachingstunde.
Die Honorare, die de facto im Coaching-Markt erzielt werden
Laut 5. Marburger Coaching-Studie aus dem Jahr 2022 zahlen Unternehmen im Schnitt knapp 229 Euro netto pro Coachingstunde. Schaut man sich die Ergebnisse aktuellerer Studien an, so bewegen sich die marktüblichen Honorare knapp über 170 Euro netto pro Zeitstunde. Die Rauen-Marktanalyse von 2024 weist einen Durchschnittswert von 176 Euro aus. Laut der Honorar-Studie der Fachzeitschrift Training Aktuell 2023 bewegt sich das durchschnittliche Coaching-Honorar zwischen 165 und 179 Euro netto pro Stunde.
Deinen Stundensatz sauber kalkulieren
Arbeite ich als Coach für Privat- oder Business-Kunden? Dies ist eine der ersten Fragen im Zusammenhang mit der Honorarkalkulation. Bekanntermaßen lassen sich mit Business-Kunden höhere Honorare erzielen als mit Privatkunden. Viele Coach-Anfänger fokussieren sich jedoch zunächst auf Privatkunden beziehungsweise Selbstzahler, da hier Ansprache und Akquise einfacher scheinen.
Hier erlebe ich immer wieder, dass sich viele Coaches scheuen, Honorare zu verlangen, die über dem liegen, was sie sich selbst leisten können oder wollen. So schlagen sich manche mit Stundensätzen unter 100 Euro rum und kommen über Jahre auf keinen grünen Zweig.
Wenn Du als Coach von Deinem Beruf leben willst, benötigst Du jedoch einen Stundensatz, der deutlich darüber liegt. Eine solide Kalkulation Deiner Stundensätze sollte daher stets am Anfang Deiner Honorarüberlegungen stehen.
Deinen Lebensunterhalt sichern
Weißt Du, wie viel Du für Miete, Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung, Reparaturen, außergewöhnliche Anschaffungen, Freizeitaktivitäten, Urlaube, Versicherungen, Rücklagen, Altersvorsorge und eventuell besondere finanzielle Ziele wie einen Hauskauf oder einen vorzeitigen Ruhestand benötigst? Wenn Du realistisch rechnest, kommt hier schon eine Menge zusammen.
Auf der betrieblichen Seite schlagen bei Coaches insbesondere Kosten für Ausbildungen und Supervisionen zu Buche, aber auch Raum- und Materialkosten, technische Ausstattung, Fachliteratur, Verbandmitgliedschaften, Reise-und Bewirtungskosten, Beratungsleistungen, Marketing und Akquise.
Aus privaten und betrieblichen Kosten ergibt sich die Summe, die Du pro Jahr idealerweise erwirtschaftest. Hinzukommen – nicht zu vergessen – Steuervoraus- und Nachzahlungen je nach individuellem Steuersatz.
Den Faktor Zeit bedenken
Ein Jahr hat 52 Arbeitswochen. Die wirst Du jedoch nicht voll durcharbeiten. Du willst in den Urlaub fahren und wirst auch mal krank sein. Denk auch an Feiertage. In Summe ist es realistisch, hierfür 8 Wochen zu veranschlagen. Das heißt, es bleiben, 44 Wochen, um das angestrebte Einkommen zu erwirtschaften.
Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, wie viel Arbeitszeit du pro Woche zur Verfügung hast. Wie viel Zeit musst beziehungsweise möchtest du für Familie, Freunde und Freizeit einplanen. Bedenke außerdem, dass du Zeit für Deine Unternehmens- und Angebotsentwicklung benötigst, für Fortbildungen, Marketing und Akquise, Rechnungsstellung und Buchhaltung, die tägliche Beantwortung von Mails sowie sonstige Organisations- und Büroarbeiten? Erst, wenn du all diese Zeiten abgezogen hast, weißt du, wie viele Coaching-Stunden du überhaupt pro Woche durchführen und in Rechnung stellen kannst.
Gewünschte Einkommen geteilt durch verfügbare Zeit = Stundensatz
Angenommen, Du kannst nur halbe Tage arbeiten und innerhalb dessen maximal 50 Prozent für Coachings nutzen, entspricht das pro Woche 10 Coaching-Stunden. Das heißt über das Jahr betrachtet kannst Du – rein theoretisch – 440 Coaching-Stunden abrechnen. Angenommen zudem, Du willst im Jahr 80.000 Euro umsetzen, so ergibt sich daraus ein Stundensatz von knapp 182 Euro. Soweit die nüchterne, rein rechnerische Betrachtung. Nun gilt es, weitere Einflussfaktoren zu bedenken und in Deine Honorargestaltung mit einzubeziehen.
Deine Zielgruppe beeinflusst die Höhe Deines Honorars
Hier ist aus meiner Sicht auf alle Fälle eine klare Definition sinnvoll. Wenn Du zum Beispiel vornehmlich für Business-Kunden arbeitest, gilt zu fragen, für welche Organisationen, in welchen Branchen, ggf. auch in welcher Region Du arbeiten möchtest. Und für welche Menschen mit welchen Themen innerhalb der Organisation.
An dieser Stelle kommt von vielen Coaches der Einwand, dass es für ein Coaching völlig irrelevant ist, ob man für diese oder jene Branche, diesen oder jenen Menschen arbeitet. Aus fachlicher Perspektive will ich dem gar widersprechen. Ich weiß jedoch aus langjähriger Erfahrung, dass es viele Auftraggeber sehr wohl schätzen, wenn man als Coach Stallgeruch und Erfahrungen in der Branche und / oder beispielsweise der Führungsrolle mitbringt.
Hinzu kommt, dass man sich selbst als Coach möglicherweise in bestimmten Systemen selbstverständlicher und sicherer bewegt als in anderen. Aus Marketing-Sicht erleichtert Dir eine präzise Zielgruppendefinition zudem die Auswahl und Ansprache potenzieller Neukunden.
Wie genau Du die zu Dir passende Zielgruppe findest, erfährst Du hier.
Die Möglichkeiten Deiner Zielkunden berücksichtigen?
Zugleich empfiehlt sich an dieser Stelle zu überlegen, wie weit Du Dich als Coach überhaupt an den Möglichkeiten oder der Sicht Deines Kunden orientieren willst oder nicht. Gehst Du mit Deinem Honorar hoch oder runter, je nachdem, was Dein Auftraggeber fähig oder bereit ist zu zahlen? Oder gibst Du Deiner Leistung einen Wert, den jeder gleichermaßen zu honorieren hat, der mit Dir arbeiten möchte?
Ein Coach hat mir vor vielen Jahren erzählt, dass er einen Auftrag abgelehnt hat, weil von ihm gefordert wurde, sein Honorar höher zu setzen, da er sonst von seinem Coachee auf C-Level nicht ernst genommen würde. Schön blöd, kann man da vielleicht spontan sagen. Warum nicht mehr Geld mitnehmen? Mich hingegen hat die Geschichte beeindruckt. Dieser Coach steht zu sich und dem Wert, den er seiner Leistung gibt.
Selbstverständlich gibt es auch in die andere Richtung interessante Modelle. Die Coach, mit der ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit gearbeitet habe, hatte ein Modell, dass sich daran orientierte, ob sich ihr Coachee gar keinen Urlaub, einen Urlaub pro Jahr oder mehrere Urlaube pro Jahr gönnen kann. Entscheidest Du Dich für ein Honorar Modell dieser Art, solltest Du auf alle Fälle darauf achten, dass Du – zumindest im Schnitt – nie unter den Stundensatz rutscht, der Dir eine sichere Existenz ermöglicht.
Bedarf und Wettbewerb beeinflussen die Höhe Deines Honorars
Die Höhe des Honorars steigt mit der Relevanz des Coaching-Themas für den Auftraggeber sowie der Anzahl der Wettbewerber, die Coachings zu diesem Thema anbieten.
Coaching zur Reflexion und Entwicklung in der Führungsrolle sowie zum Aufbau von Führungskompetenz werden am meisten nachgefragt. Zu diesem Thema gibt es jedoch auch sehr viele Anbieter im Markt. Um sich hier vom Wettbewerb zu differenzieren ist es elementar, andere Aspekte mit ins Gespräch zu bringen, wie zum Beispiel eigene Führungserfahrung, langjährige Coachingerfahrung, spezielle Branchenerfahrung, einen besonderen Coaching-Ansatz oder ungewöhnliche Formate.
Coachings zur beruflichen Neuorientierung werden ebenfalls häufig nachgefragt (Platz 6 in der Liste der häufigsten Themen im Coaching). Doch auch hier gibt es sehr viele Coaches, die zu diesem Thema unterwegs sind; häufig im Auftrag von Instituten, die wiederum im Auftrag der Agentur für Arbeit tätig sind. Leider arbeiten die meisten dieser Coaches zu Stundensätzen, die kaum geeignet sind, sich eine sichere Existenz aufzubauen.
Dein Abrechnungsmodell beeinflusst die Höhe Deines Honorars
Insbesondere im Geschäft mit Selbstzahlern arbeiten viele Coaches mit Paketen. Das kann sowohl für Dich als Coach als auch für Deine Kundin Sinn machen. Du gewinnst Planungssicherheit durch ein bestimmtes Auftragsvolumen, statt Dich von Coachingtermin zu Coachingtermin zu hangeln. Deine Kundin erhält Deine Leistung zu einem günstigeren Stundensatz und hat ihrerseits Planungssicherheit. Dabei erfordern Pakete nicht nur ein klares Bild bezüglich des Honorars, sondern auch bezüglich der dagegenstehenden Leistungen oder besser des Coachingziels.
All diesen Argumenten zum Trotz rechne ich nach wie vor bevorzugt nach Stundenaufwand ab. Ganz einfach deshalb, weil das meinen Kunden und mir die größte Freiheit im Prozess lässt.
Ein guter Kompromiss können meines Erachtens Abonnements sein. Lässt sich absehen, wie viele Stunden oder Sitzungen auf alle Fälle für eine gute Bearbeitung des Kunden-Anliegens nötig sein werden, kann man das geschätzte Volumen zu einem vergünstigten Preis anbieten. So gewinnen beide Seiten finanzielle Sicherheit, bewahren sich aber die größtmögliche Freiheit im Prozess.
Im Kern gehen auch Coaching-Verträge mit Business-Kunden in die gleiche Richtung, wird hier doch meist ein Rahmenbudget für ein bestimmtes Volumen definiert – im Gegensatz zum Abonnement jedoch meist ohne die Garantie, dass dieses vollumfänglich abgerufen wird.
Deine Erfahrung beeinflusst Dein Honorar
In der BDVT-Coaching-Manufaktur, die wir zum Thema Honorare durchgeführt haben, waren die meisten Teilnehmenden davon überzeugt, dass die Erfahrung des Coach den größten Einfluss auf das Honorar hat. Dass die Erfahrung ein wichtiger Faktor bei der Auswahl eines Coaches ist, belegen auch die genannten Studien. Sie zeigen jedoch nicht auf, wie weit sie sich auch auf das Honorar auswirkt. Eine gewissen Korrelation zwischen Erfahrung als Auswahlkriterium und Einflussgröße für das Honorar scheint jedoch naheliegend.
An erster Stelle steht hier die Coaching-Erfahrung, was für Anfänger im Markt eine nicht zu unterschätzende Hürde darstellt. Wettmachen lässt sich dies jedoch durch eigene Führungserfahrung, Berufserfahrung, Branchenerfahrung, Themenerfahrung und auch Lebenserfahrung. Es empfiehlt sich daher, relevante Aspekte klar im Coach-Profil herauszustellen.
Dein Selbstwert beeinflusst Dein Honorar
In den mehr als 20 Jahren meiner Selbstständigkeit habe ich hunderte von Coaches unterstützt, ihr Profil zu entwickeln. Dabei konnte ich immer wieder beobachten, wie sehr ihr Selbstwertgefühl ihre Honorargestaltung, die Entwicklung ihres Geschäftes und ihren persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg beeinflusst hat.
Ein Thema, das nochmals einen eigenen Blog-Beitrag wert ist. Zunächst verweise ich hierzu auf meinen Beitrag „Typische Anfängerfehler im Coaching-Business“.
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